Wer sich bereits in unserem Zuchtbereich etwas über unseren Ausbildungsweg unserer Pferde belesen hat, kann sich sicher vorstellen, dass auch die Ausbildung unserer jungen Reiter nicht auf dem klassischen Weg stattfindet.
Grundsätze der reiterlichen Ausbildung bei uns sind:
1.) ein sicherer, lockerer, freier Reitersitz - dieser ist die Basis gutem und feinem Reiten und dauert u. U. sehr lange bis er gefunden ist.
2.) ein Verständnis für die Pferdesprache - die Körpersprache und das Bewusst-werden der eigenen Körpersprache mit Wirkung aufs Pferd
3.) feine Kommunikation zwischen Pferd und Mensch
Klingt gut, aber interessant ist sicher unser Weg dahin. (Achtung: lange Seite ;-))
1.) Unsere Einheiten finden hauptsächlich im Gelände statt. Bereits auf dem geführten Pony können die Kleinsten ein Gefühl für die Bewegung des Ponys und eine Sitzbalance erhalten. Zudem ist Reiten lernen im Gelände wesentlich freier und entspannter für alle 2- und 4-beiner. Im Wald nutzen wir zusätzlich zu den Gegebenheiten einer bergigen Region auch gerne tiefhängende Äste - Ducken ;-) oder wir versuchen, die hohen Äste zu erreichen. Auch echtes Äpfelpflücken ist möglich und macht natürlich noch mehr Spaß als die fiktive Trockenübung auf dem Pferd - mit mindestens gleichem Erfolg.
Gedanken zum Reitersitz
Der Sitz des Reiters als Schlüssel guten Reitens?! - Ja, denn wirklich gutes Reiten verkörpert Kraft ohne Anstrengung, zeigt Anmut und das Gefühl von Leichtigkeit.
Wer technisch und statisch im Sattel sitzt, wird nie die feinen Bewegungen des Pferdes wahrnehmen können und erspüren. Vielmehr wird ein statischer, fester Sitz die Bewegungen des Pferdes einschränken oder sogar hemmen. Verspannungen, Blockaden bis hin zu undifferenten Lahmheiten finden nicht selten in einem steifen Sitz ihren Ursprung.
Aber wie sitzt man im Sinne des Pferdes? Wie reitet man ohne Anstrengung und unnötigen Halte-Kraftaufwand?
Es ist ein In-sich-hinein-hören und sich fallen lassen, damit das Erspüren der Bewegung des Pferdes möglich wird. Ein lockerer Körper ohne (An-)Spannung lässt sich vom Pferd tragen. Nicht der Reiter muss aktiv den Sattel 'auswichen', vielmehr kommt diese Bewegung vom Erspüren und sich – tragen und sich-bewegen lassen durch die Bewegung des Pferdes.
Man stelle sich als Schneemann mit 3 Kugeln vor. Die unterste hat ihren Mittelpunkt am Knöchel und trägt die Mittlere mit der Hüfte als Mittelpunkt. Ganz oben sitzt die kleine Kugel rund um die Schulter. Kippt die Hüfte nach vorne, rollte die untere Kugel zu weit nach hinten und die kleine obere Kugel fällt fast vorne über. Die stabile Basis ist weg.
Versucht man mit der mittleren Kugel steif und fest zu bleiben, mit einem senkrechten Mittelpunkt, dann finden die obere und die untere Kugel keinen Anhaltspunkt. Auch hier ist keine stabile Basis des Sitzes vorhanden.
Senkt man aber gedanklich und mit innerer Bewusstheit den Mittelpunkt der mittleren Kugel unmerklich ganz leicht nach hinten senkrecht unten ab, dann stabilisieren wir die mittlere Kugel. Wie von selbst kommt die obere Kugel so in Position, dass ihr Mittlepunkt – die Schulter – fast senkrecht über der Hüfte als Mittelpunkt steht. Ganz stabil ist die Schulter 2° vor der Hüfte. Und last but not least positioniert sich ohne Anstrengung die untere Kugel um die Knöchel genau senkrecht unter der Hüfte.
Unser Becken/ unsere Hüfte ist unser Balancepunkt.
Eine einfache Übung um diese zu erspüren und zu lockern:
Man setzt sich auf einen Hocker/ Stuhl/ Sitzball so, dass die Knie fast 90 ° bilden und die Oberschenkel waagrecht aus der Hüfte führen.
Kippt das Becken nach hinten ab... ganz langsam.....soweit, wie ihr schmerzfrei kommt. Geht nie über den Schmerz. Dann kippt mit eurem Becken im gleichen Tempo nach vorne. Nur soweit es schmerzfrei möglich ist. Wiederholt diese Bewegung und stellt die Abstände nach vorne und hinten vom Mittelpunkt aus auf gleiche Längen ein.
Wenn ihr das schafft, bewegt eure Hüfte im Sitz nach links und rechts, wie oben. Achtet immer darauf, dass eure Oberkörper locker und gerade bleibt und sich nicht mit in die Richtung neigt oder bewegt.
Stellt euch vor, ihr sitzt auf einem Ziffernblatt der Uhr. Bewegt eure Hüfte auf 12, 3, 6 und 9 Uhr. Im Uhrzeigersinn und entgegen. Steuert die Zeiten immer erst von der Mitte aus an. Immer im gleichen Abstand. Dann bewegt eure Hüfte kreisend von einer Zahl zur nächsten. Bewegt die Abstände zwischen den Zahlen konvex und konkav.
Und immer daran denken, ihr bewegt nur die Hüfte....
Versucht das ruhig öfters und setzt euch dann wieder locker aufs Pferd.... Vielleicht spürt ihr einen Unterschied im Sitz und dann auch im Pferd....
Wie führen wir die Kleinen und Größeren spielerisch an einen ausbalancierten lockeren Reitersitz?
Nun, zum Einen haben wir zu Beginn bereits erwähnt, wie sinnvoll für die ganz Kleinen der geführte Ausflug ins Gelände ist. Zusätzlich helfen Spiele in Kleingruppen auf dem Pferd, locker zu werden.
Z.B. Der Ball
Durch den Einsatz eines Balles erreichen wir, dass die Kinder lockerer werden. Idealerweise findet dieses Spiel zu dritt mit einem Pferd statt. Es gibt einen Pferdeführer, einen Ballwerfer/-fänger und den Reiter.
Zunächst wird der Ball nur von der Begleitperson zum Reiter gegeben und zurückgereicht. Schrittweise lässt sich der Abstand vergrößern und der Ball muss geworfen und gefangen werden. Was erreichen wir dadurch? Nun, die Reiter können loslassen (Zügel, Halteriemen) und bewegen sich unbefangen locker im Becken (fangen, werfen, der Begleitperson zudrehen).
in einem weiteren Schritt wirft man den Ball nicht direkt zurück als Reiter, sondern rollt den einmal um die Hüfte, Richtungen abwechselnd. Das Rollen des Balles lässt sich noch in der Vertikalen von Knie bis Kopf z.B. erweitern.
Durch den Einsatz des Balles lenken wir den Fokus nicht mehr auf das Sitzen an sich, sondern auf die lockere Bewegung im Ballspiel auf dem Pferd. Eine solche Einheit bringt nicht nur ein lockeres Sitzen sondern vor allem auch viel Spaß und Gekicher.... vor allem, wenn einer den Ball nicht gefangen bekommt ;-)
2.) Die Körpersprache - Bodenarbeit mit den Pferden
Der Umgang mit dem Pferd und das Reiten werden wesentlich leichter, freier und feiner, je besser Mensch seine eigene Körpersprache wahrnimmt und über deren Wirkung auf das Pferd Kenntnis hat und dessen Reaktion versteht.
Für uns ein unerlässlich wichtiger Aspekt in der Pferd-Mensch-Beziehung.
Ganz gleich, ob Reitausbildung oder Therapie, die Wahrnehmung des eigenen Ichs und das Verständnis der Reaktion des Pferdes sind zentrales Thema in unserer Arbeit. Je nachdem, an welchem Thema sich der jeweilige Schüler/ Klient gerade befindet, ist es sinnvoller, statt auf dem Rücken des Pferdes mit dem Pferd vom Boden aus zu arbeiten. Wer am Boden nicht psychisch und physisch in der Lage ist, ein Pferd zuversichtlich von A nach B zu führen, so wie der Mensch möchte, der wird nie wirklich locker und gelöst auf dem Rücken des Pferdes sein können. Feines Reiten ist dann nicht möglich.
In Workshops vermitteln wir über nonverbale Aufgaben einen ersten Eindruck, wie Körpersprache funktioniert und wirkt, um dann mit einer ersten Selbsterfahrung am Pferd zu lernen.
Bodenarbeit bis hin zu Seitwärtsgängen an der Hand, freies Longieren (Kommunikation über Körperpositionen) bis hin zur Doppellongenarbeit können Inhalt unserer Einheiten sein.
Die ganz Kleinen lernen natürlich auf einer anderen Ebene als die Größeren und Großen.